Nachhaltig Essen & Trinken: Das Interview

Andrea Dietl begleitet und unterstützt KMUs auf Ihrem Weg zur unternehmerischen und gesellschaftlichen Verantwortung. Mit ihrer Expertise in CSR unterstützt Sie Unternehmer:innen darin, ihr Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.

Andrea, du bist Beraterin für gesellschaftliche Verantwortung (CSR) und Nachhaltige Entwicklung im Tourismus. Wenn Du mit touristischen Organisationen wie Tourismusverbänden oder Hotels arbeitest, wie gehst Du im Handlungsfeld Klima-Schützen (SDG #13) vor? 

Ich bin eine große Verfechterin von Fakten schaffen. Konkret heißt das, beim SDG #13, eine Klimabilanz erstellen. Ein sogenannter Corporate Carbon Footprint (CCF) zeigt mir einen ganz konkreten Handlungsrahmen. Als Unternehmer:in oder Bereichsleiter:in habe ich dann strategische Spielräume: Ich kann kurz- und langfristige Ziele in relevanten Geschäftsbereichen erkennen und daraus wirkungsvolle Maßnahmen herausarbeiten. Dadurch kann ich meinen Mitarbeiter:innen einfach und klar aufzeigen, wie klimarelevant es ist, zum Beispiel, 2 x in der Woche mit den Öffis zur Arbeit zu kommen. Das hat wiederum Auswirkung auf das Gästeverhalten: Wenn ich als Rezeptionist:in selbst konsequent öffentliche Verkehrsmittel nutze, kann ich erfolgreich Gäste, Kolleg:innen, Partner:innen (…) für die Öffis mobilisieren.

Dagmar Lund-Durlacher ist Professorin Emerita an der Fakultät für Tourismus- und Dienstleistungsmanagement der Modul University Vienna. Derzeit ist sie Gastprofessorin und Senior Research Associate am Zentrum für Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (Deutschland).

Dagmar, Du forscht seit Jahren intensiv im Bereich im Bereich Tourismus & Klimawandel. Hat sich das Klima-Bewusstsein in der Branche in den letzten 10 Jahren verändert?

In den letzten 10 Jahren definitiv. Allerdings ist die Kluft zwischen Bewusstsein und tatsächlichem klimaschonendem Verhalten noch immer sehr groß.

Andrea: Ja, ich bin auch erstaunt, dass beispielsweise Weine aus aller Welt sehr viel Kommunikations-Ressourcen und Aufmerksamkeit innerhalb und außerhalb des Betriebes erhalten. Aber die Landwirt:innen ums Eck, die Lamm, Hühner, Gemüse, Eier, Butter, Milch, Joghurt, Käse liefern, welche Gäste nur an diesem einen Ort genießen können, bekommen kaum Aufmerksamkeit. Obwohl es im Betrieb ein Klima-Bewusstsein gibt.

Als Trainerin für Nachhaltiges Speise- und Getränkeangebot kennst Du, Andrea, die Herausforderungen von Einkauf, Service und Küche. Wo setzen Du und Dagmar bei den Trainings an? 

Unsere Workshops sind an alle Mitarbeiter:innen aus Einkauf, Küche, Service, Rezeption, Kommunikation und der Organisation des Gästeprogramms adressiert. Auch alle relevanten Stakeholder, wie Großhändler:innen, lokale Landwirt:innen oder Veredler:innen, sind eingeladen. Natürlich beziehen wir schon bestehende Nachhaltigkeits- oder CSR-Strategien in die Trainings mit ein. Oft gibt es bereits eine Klimabilanz oder ein Einkaufs- und Abfallkonzept. Vor allem bei Betrieben, die erkannt haben, welchen Wert Klima-Bewusstsein für die Wirtschaft der Zukunft hat.

Nicht jede dieser Prozessstufen kann gleichermaßen vom Unternehmen beeinflusst werden. Die wesentlichen Bereiche, wie der Einkauf, die Zubereitung und die Präsentation des Speisenangebots, können jedoch direkt von den Tourismusbetrieben
gesteuert werden.
Wie? Das erfahren Sie im Leitfaden Nachhaltiges Getränke- und Speiseangebot für Hotellerie und Gastronomie, oder bei einem unserer Hotel-Trainings.

Der derzeit allgemein-übliche Fokus auf „Regionalität“ greift zu kurz. Wir zeigen den Teilnehmer:innen deshalb die Dimensionen von nachhaltiger Ernährung auf: Wirkungen und Zusammenhänge von Klima, Umwelt, Inklusion & Fairness, Qualität, Gesundheit und Kulturgut.

Den meisten Chefs ist bereits bewusst: Je frischer, saisonaler und näher die Netzwerke oder Produzent:innen sind, bei denen ich einkaufe, desto besser für Klima und die regionale Entwicklung. Allerdings ist der oder die Großhändler:in vielerorts der oder die Hauptlieferant:in. So sind die Beziehungen zu lokalen, kleinen Landwirt:innen, Produzent:innen und Veredeler:innen (…) eingeschlafen. Wir erarbeiten deshalb in den Workshops praxistaugliche Sowohl-als-auch-Strategien und versuchen gemeinsam Lösungswege zu finden. Eines zeichnet sich schon heute ab: Wer auf Flexibilität, Kollektiv und Konsens setzt wird es künftig leichter haben, lokale Netzwerke aufzubauen, sie zu intensivieren und zu halten.


Warum sollen Beherbergungsbetriebe ihr Speise- und Getränkeangebot gerade jetzt ökologischer und fairer gestalten?
Die haben jetzt andere Sorgen, oder? 

Dagmar: Gerade der Gastronomiebereich wurde in der touristischen Klimadiskussion stark vernachläßigt, obwohl hier ein starker Hebel für Klimaschutz vorhanden ist. Weniger Fleisch, vor allem Rindfleisch, weniger exotische Flugwaren und das Anbieten regionaler, saisonaler Gerichte schonen nicht nur das Klima, sondern bieten auch großartige Möglichkeiten zur kulinarischen Innovation und Einzigartigkeit

Andrea: Ebenso kann man mit vielen Lebensmitteln, die sonst im Müll landen würden kulinarische Innovation schaffen. Lebensmittelabfälle sind schließlich wertvolle Rohstoffe. Wir stehen in der Gastronomie tatsächlich am Anfang, wenn es darum geht aus alten Lebensmitteln etwas Neues zu kreieren. In Frankreich kreieren innovative Bäckereien schmackhafte Kekse oder Baguette aus einem Altbrotanteil von 50%. Das hat nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Auswirkungen für den Betrieb.

Der Leitfaden ist auf Initiative und mit Förderung von Futouris, der Nachhaltigkeitsinitiative der Deutschen Reiseindustrie entstanden und von Dagmar federführend mitgestaltet worden.

In Zahlen gesprochen – Wie viel kann ein Betrieb durch die konsequente Vermeidung von Lebensmittelabfällen einsparen?

Bei letzten Hotel-Workshop errechneten wir grob den Verlust aller Lebensmittelabfälle von Küche, Buffet und Teller. Wir kamen auf 30.000 € pro Jahr. Ein Teil davon könnte sicher als zweiter Rohstoff wiederverarbeitet werden. Aber natürlich muss auch die Gesetzeslage für Hotel und Gastgewerbe entsprechend reformiert werden. Frankreich ist, was Lebensmittelabfälle angeht, tatsächlich schon weiter.

Was können Betriebe also konkret tun?

Andrea: Es gibt den Leitfaden Nachhaltiges Getränke- und Speiseangebot für Hotellerie und Gastronomie, welcher sich mit den Dynamiken und Umbauprozessen eines Gastronomiebetriebes beschäftigt. Unternehmer:innen oder Bereichsleiter:innen können daraus fundierte Informationen ziehen und ihren Mitarbeiter:innen weitergeben.

Dagmar: Der Leitfaden ist auf Initiative und mit Förderung von Futouris, der Nachhaltigkeitsinitiative der Deutschen Reiseindustrie entstanden. Schon vor 5 Jahren stellte man sich hier die Frage, welche Rolle Nachhaltigkeitsaspekte für das kulinarische Angebot im Urlaub spielen und wie diese am besten umgesetzt werden können. Zahlreiche Studien und Berichte, eine umfangreiche Befragung mit mehr als 7.000 Pauschalurlauber:innen und der Besuch von zahlreichen Hotels, die bereits tolle Nachhaltigkeitsaspekte umsetzen, flossen in dieses Handbuch ein.

Individueller an den Betrieb angepasst ist natürlich ein persönliches Training. Wir stehen dafür natürlich zur Verfügung. Wir erarbeiten mit Tourismus-Organisationen eine praxistaugliche Strategie, wie sie ihr Unternehmen im Speise- und Getränkeangebot klimabewusst führen können. 

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