Herausforderungen und Chancen in Sachen Nachhaltiger Entwicklung (CSR)
Ein knallgrünes Interview mit Andrea Dietl.
Bergbahnen im alpinen Raum stehen an der Schwelle einer neuen Ära, in der soziale, ökologische und technische Erneuerungen Hand in Hand gehen werden. Wir beleuchten, wie diese technikaffinen Unternehmen nicht nur globale Herausforderungen meistern können, sondern durch und mit CSR-Tools in Zukunft Legitimation, Reputation und Wertschöpfung absichern können.
Wo stehen Bergbahnen in Sachen Nachhaltige Entwicklung?
Andrea Dietl: In der Tourismusbranche erkennen wir seit einigen Jahren ein steigendes Interesse an nachhaltigen Entwicklungsprozessen auf Destinations- als auch auf unternehmerischer Ebene. Mittlere bis große Bergbahn-Unternehmen investieren in erneuerbare Energieträger und technische Innovationen (Effizienz, Ressourcenschonung), einfach weil wirtschaftlich kein Weg daran vorbeiführt. Darüber hinaus konzentrieren sie sich auf die Erfüllung von Umwelt-Gesetzen und Vorschriften. Die Mobilität von Gästen wird zunehmend als Teil der unternehmerischen Verantwortung (CSR) wahrgenommen, entsprechende Mobilitätsanalysen und -konzepte sind vielerorts work in progress. Der Fokus liegt klar auf ökologisch-ökonomischen Faktoren. Ein Good Practice für ökologische Nachhaltigkeit ist unserer Beobachtung nach, die Seilbahngruppe Snow Space Salzburg Bergbahnen AG mit Klimabilanz, ökologischem Pistenmanagement, technischem Umweltschutz, klimafreundlichem Gästeverhalten sowie einem wissenschaftlichen Beirat (Universität für Bodenkultur Wien).
Bei Themen wie Vielfalt, Chancengleichheit, Transparenz oder Nachhaltige Beschaffung (Lieferketten) sehen wir im Alpenraum tatsächliches Entwicklungspotential. Beispielsweise wenn es um die kritische Auseinandersetzung mit Skifahren in Zeiten von gesellschaftlichen Klima-und Umweltängsten geht, reagieren Seilbahnunternehmen vielerorts eher verschnupft. Dabei würde eine strategische Kontextualisierung von Interessen relevanter Anspruchsgruppen Unternehmen dabei unterstützen, den Kompass auf wesentliche Entwicklungsthemen auszurichten. Denn Bevölkerung, NGOs, Medien, Gäste, Geschäftspartner:innen (,,,) erwarten sich heute und morgen eine optimale Infrastruktur mit ausgewogenen Preis-Leistungsverhältnis und die Steuerung von Risiken betreffend Klima, Umwelt und Gesellschaft. Dazu kommt, dass große Bergbahn-Unternehmen künftig nachhaltigen Berichtspflichten (CSRD) nachkommen werden müssen. Diese Gemengelage führt Vorstand, Management, Bereichsleiter:innen (…) auf unbekanntes Terrain.
Wo liegen entscheidende Chancen für Quereinsteiger:innen?
Andrea Dietl: Bergbahnen sind technische Unternehmen, die im Bereich Qualitäts– und Datenmanagement gut aufgestellt sind. Sie haben langjährige Erfahrung im Umgang mit Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP), Energieaudits und Datenmanagement–Systemen. Darüber hinaus nehmen Bergbahnen vielerorts eine meinungsbildende Rolle in der Regionalentwicklung ein, da sie zu wichtigen Arbeitgebenden und Wertschöpfungsspots zählen. Wenn sich Bergbahnen ihrer CSR-Stärken bewusstwerden und in die nachhaltige Entwicklung ihrer DNA dynamisch investieren, zahlen sie beispielswiese direkt in die Arbeitgeber:innenmarke für Fachkräfte ein oder können Dialoge auf Augenhöhe mit kritischen Anspruchsgruppen führen.
Mit welchem Return on Investment ist zu rechnen?
Andrea Dietl: Mittlerweile wissenschaftlich gut belegt ist, dass Gäste bei Hotelbuchungen für nachhaltige Faktoren wie ÖPNV-Anbindung, Umwelt-Zertifizierungen oder Regionalität von bis zu 20 € pro Buchung mehr bezahlen (Conjoint -Studie Nachhaltigkeit). Wir können davon ausgehen, dass sich dieses real-stattfindende Konsumverhalten auch auf weitere Leistungsträger übertragen lässt. D.h. ökologische, soziale Verantwortung spielt bei der Preisdurchsetzung bereits eine Rolle.
Wo lauern Gefahren?
Andrea Dietl: Wir raten von unbedachtem Aktionismus ab, auch wenn das erst mal den Druck mindert, zu gesellschaftlichen Diskursen rasch etwas liefern zu müssen. Wir beobachten, dass durch diese Art von Aktionismus wertvolle Ressourcen wie Zeit, Geld, Motivation für strategische Prozesse nicht mehr zur Verfügung stehen. Zumal die Gefahr des Greenwashings für Unternehmen zunimmt und folglich Marke und Ruf schädigen oder auch rechtliche Konsequenzen drohen können.
Wie und wo können Berater:innen Bergbahnen unterstützen?
Andrea Dietl: Erfahrende Berater:innen (CSR(D)/ESG) sind für Quereinsteiger:innen speziell am Beginn von nachhaltigen Prozessen wertvoll, weil sie Anspruchsgruppen gegenüber neutral auftreten und notwendige Standards/Leitfäden, Außen-Perspektiven und Strukturen einbringen. D.h. die Unternehmen lernen beispielsweise mit Hilfe von Berater:innen die relevanten Auswirkungen ihres Handelns auf Klima, Umwelt, Menschen(rechte) und Gesellschaft professionell zu analysieren und zu nützen. Dabei werden strukturelle und bildende Grundlagen gelegt, damit das Unternehmen in Eigenregie weiteragieren kann. Man kann sich das wie Fahrradfahren-lernen vorstellen. Das erste Mal leiht man sich ein Rad und fährt unter Anleitung die ersten Meter. Nach und nach fährt man mit dem eigenen Rad weiter, etwas ruckelig aber hoch-motiviert es immer besser zu hinzubekommen. Nach dem Umfallen steht man auf und trainiert weiter. Nach einer bestimmten Zeit erlangen wir Sicherheit und Selbstbewusstsein. Kopf, Arme und Beine, Rad und Verkehr agieren jetzt fließend und aufeinander abgestimmt. Zu diesem Automatismus oder schöner ausgedrückt in diesen CSR-Flow sollten Unternehmen möglichst rasch gelangen.
Wie nützlich sind Digitalisierung und KI?
Andrea Dietl: Der Großteil von CSR(D)-Ressourcen sollte beispielsweise in die Entwicklung von Verbesserungen und soziale und ökologische Innovationen investiert werden und nicht in die Zeit von Datenerhebungen. Digitalisierung und KI werden CSR-Prozesse künftig in den Bereichen Datenmanagement, Prozesseffizienz oder Lieferkettentransparenz wesentlich verbessern. Speziell bei der Nutzung von KI ist es grundsätzlich wichtig, dass Unternehmen verantwortungsvoll damit umgehen.
Bitte um konkrete Tipps für Quereinsteiger:innen.
Andrea Dietl:
- Interessen von Anspruchsgruppen kontextualisieren, strategisch berücksichtigen; das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
- CSR-Stärken erkennen und nützen
- Internationale Standards und Leitfäden beachten, nützen
- Kontroll- und Steuerungsmechanismen installieren
- Faktenbasierte Kommunikation mit wichtigen Anspruchsgruppen