Andrea Dietl, Gründerin «knallgrün – new eco», im Interview

mit Dominik Buholzer für moneycab.com

Das Interview ist im Original erstmals am 14.10.2022 online bei moneycab erschienen.

Frau Dietl, «knallgrün – new eco» unterstützt Unternehmen aus dem Tourismus bei der Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie. Nachhaltigkeit wird für viele Firmen immer wichtiger. Können Sie sich vor Anfragen noch wehren?

Andrea Dietl: Du meine Güte, schön wäre es. Es hat zwar in den vergangenen Jahren ein Umdenken eingesetzt und damit stieg auch bei uns die Arbeit. Aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir als Gesellschaft sein könnten.

Mangelt es am Willen?

Viele Unternehmen tun sich nach wie vor schwer, die aktuellen Krisen richtig einzuordnen sowie soziale und ökologische Prozesse strategisch zu planen und zu steuern.

Es gibt heute kaum mehr eine Firma, die nicht über ein Nachhaltigkeitskonzept verfügt oder täuscht das?

Viele meinen es gut, gehen es aber falsch an. Die Tourismusbranche ist noch zu sehr vom Wachstumsgedanken dominiert: immer schneller, immer mehr. Heute und morgen geht es nicht mehr nur darum, möglichst rasch möglichst viele Marktanteile zu generieren. Es geht auch darum, wie wir in Zukunft die Arbeit gestalten müssen, um wieder junge Menschen für den Tourismus zu gewinnen.

«Viele Unternehmen tun sich nach wie vor schwer, die aktuellen Krisen richtig einzuordnen sowie soziale und ökologische Prozesse strategisch zu planen und zu steuern.»

Andrea Dietl, Gründerin «knallgrün – new eco»

Oder welche Entwicklungen in Unternehmen dazu beitragen, damit wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen können, so wie dies das Pariser Klimaabkommen der Vereinten Nationen vorsieht.

Was müssen Unternehmen ändern?

Wir müssen uns alle von alten Denkmustern verabschieden. Diese helfen uns nicht mehr weiter.

Aber ist Nachhaltigkeit nicht auch eine Kostenfrage?

Es gibt sicherlich Massnahmen, die Kosten verursachen. Aber oft wird dies nur als Vorwand genommen, eine Investition hinauszuzögern. Mittel- bis langfristig rechnen sich diese auf jeden Fall. Dies belegen zahlreiche Business Cases.

Wie zahlen sich die Investitionen aus?

Ich betreue unter anderem Hotels. Wenn sich ein Unternehmen auf den Weg der Nachhaltigkeit machen will, ist die Analyse von Treibhausgasemissionen, ein sogenannter Corporate Carbon Footprint, der erste Schritt. Auf diese Analyse folgt die Diätplanung, wie ich dies bezeichne. Wo kann bei den Emissionen abgespeckt werden?

«Nebst dem Energieverbrauch und dem Mix der Energieträger sowie in der Lieferkette von Food & Beverage ist eines der grössten Probleme die An- und Abreise der Gäste.»

Andrea Dietl, Gründerin «knallgrün – new eco»

Zum Beispiel lässt sich nach einer energetischen Untersuchung der Gebäudehülle gut feststellen, wie viele Treibhausgase durch eine (Teil-) Sanierung im Zuge eines ohnehin geplanten Umbaus verhindert werden können. An welchen Stellen kann Wärme rückgewonnen werden? Die Einsparungen machen sich mittel-bis langfristig auf der Kostenseite positiv bemerkbar.

Wo ist beim Klimaschutz das Potenzial für Verbesserungen bei Tourismusbetrieben am grössten?

Nebst dem Energieverbrauch und dem Mix der Energieträger sowie in der Lieferkette von Food & Beverage ist eines der grössten Probleme die An- und Abreise der Gäste. Diese erfolgt vielerorts leider immer noch mit dem Auto. Der Anteil, der öffentliche Verkehrsmittel nutzt oder ein elektrisches Fahrzeug hat, ist noch viel zu gering, als dass wir das negieren könnten.

Das zweite Problem?

Das hängt mit der Gastronomie zusammen. Auf den Speisekarten in Hotels und Restaurants dominieren noch immer Gerichte mit hohem Fleisch-, Milch- und Käseanteil sowie Importen aus Asien wie Reis oder Palmöl. Es ist wissenschaftlich längst erwiesen, dass unsere Ernährung wesentlich zur Klimakrise beiträgt. Hier können wir Gäste und Mitarbeitende in die richtige Entscheidung schubsen. Grundsätzlich gilt: Je grösser der Anteil an vegetarischen und veganen Gerichten auf der Speisekarte ist, desto weniger Fleisch wird verzehrt.

Und welches ist der dritte und letzte Punkt?

Unternehmen müssen ihre Gäste, die Mitarbeitenden sowie Lieferanten verstärkt in ihre Nachhaltigkeitsbemühungen involvieren. Nur im Kollektiv können wir ökosoziale Verbesserungen innerhalb der Organisation und im Geschäftsbetrieb bewirken. Im Alleingang erreichen wir heute nichts mehr. Dieses gemeinsame Handeln schafft nicht nur Vertrauen. Es trägt auch zum Wohlbefinden der Menschen bei. Aus der Umweltpsychologie wissen wir, dass Klima- und Umweltkrisen unsere Psyche und Gesundheit zunehmend belasten.

Mehr Nachhaltigkeit ist sicherlich angezeigt. Aber ist das Problem nicht auch, dass es sich für viele Unternehmen heute gar nicht auszahlt?

Klimakrise, Artensterben, Plastikteppiche im Meer – der Einfluss des Menschen auf unserem Planeten ist gross, darum benennen wir das gegenwärtige Erdzeitalter nach dem Menschen Anthropozän. Wir erfahren nicht erst seit der Corona-Pandemie, dass wir es zunehmend mit mehr Lieferengpässen zu tun haben.

«Nur im Kollektiv können wir ökosoziale Verbesserungen innerhalb der Organisation und im Geschäftsbetrieb bewirken.»

Andrea Dietl, Gründerin «knallgrün – new eco»

Auf nationaler und internationaler Politebene werden die Weichen zudem neu gestellt. In der EU sind heute schon Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen oder deren Bilanzsumme mehr als 20 Millionen Euro beträgt, verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. In den nächsten Jahren wird dies auf kleinere Unternehmen ausgeweitet. Das zeigt heute bereits Wirkung. Systemrelevante Unternehmen werden Öko-Kennzahlen wie CO2-Äquivalente pro Gast und Nächtigung bei kleineren Unternehmen beziehungsweise Zuliefern einfordern. Wer diese Kennzahlen nicht liefern will oder kann, verliert Geschäftspartner.

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